Einleitung
Dieses Projekt ist in dem USTP-Spezialforschungsgebiet zur rechnergestützten Analyse von Handschriften unter Einsatz von Computer Vision und fortschrittlichen visuellen Schnittstellen zu verorten. Es schließt an Projekte zu mittelalterlichen Handschriften (URL: https://research.ustp.at/en/projects/scribe-id-ai) sowie zur Analyse von Verzierungen mittelalterlicher Handschriften (URL: https://research.ustp.at/en/projects/peuafleu-analysis-of-fleuronnee) an.
Untersuchungsgegenstand sind von sogenannten Kopisten aufgeschriebene Opernpartituren. Markus Seidl arbeitet dafür mit Martin Eybl (https://www.mdw.ac.at/imi/martin_eybl/), einem führenden Experten auf diesem Gebiet, zusammen.
Hintergrund
Viele Werke von Haydn, Gluck und anderen Komponisten sind nicht in ihren Originalhandschriften erhalten, sondern nur als Kopien, die oft von professionellen Kopisten zur Zeit der Aufführung angefertigt wurden. Da viele dieser Kopien undatiert sind, bleibt ihre genaue Entstehungszeit im Dunkeln. Aus diesem Grund forderte der ungarische Musikwissenschaftler László Somfai schon vor über dreißig Jahren einen Katalog der „Wiener Kopisten von etwa 1750 bis 1770“. Eine „systematische Untersuchung“ der Wiener Opernpartituren sollte entwickelt werden, um diesen Katalog zu füllen. Dafür schlug Somfai eine Art Formularkartei vor mit deren Hilfe charakteristische Merkmale in den Niederschriften der Kopisten erfasst werden. Jedoch hielt er die Untersuchung von Wasserzeichen wegen der „gigantischen Datenmenge“ für unrealistisch. Mit den jüngsten Entwicklungen im maschinellen Lernen ist die von ihm formulierte Vision aber zu einem greifbaren Ziel geworden.
Projektinhalt
Die in den zwei vorangegangenen Projekten entwickelte Datenbank ermöglicht es, Musikmanuskripte von Wiener Berufskopisten zeitlich einzuordnen, undatierte Manuskripte bestimmten Kopisten zuzuweisen und festzustellen, ob die Niederschriften in Wien entstanden sind. Bisher konzentrierten wir uns vor allem auf Kompositionen aus dem städtischen Umfeld. Im aktuellen Projekt richten wir den Fokus stärker auf Musikmanuskripte, die am Wiener Hof entstanden sind, denn hierfür fehlt bislang eine systematische wissenschaftliche Aufarbeitung. Dafür bauen wir auf den vielversprechenden Ergebnissen auf, die wir bereits durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Musikwissenschaft und Digital Humanities erzielt haben. Wir nutzen Visualisierungs- und Bildverarbeitungstechniken und kombinieren sie auf neuartige Weise mit Methoden des maschinellen Lernens. Ziel ist es, Kopisten zu identifizieren und ihre individuelle Notation präzise zu analysieren.
Ziele und wichtige Schritte
Das Projekt verfolgt drei Hauptziele:
- Einsatz von Computer-Vision- und Machine-Learning-Techniken, um Kopisten musikalischer Werke zu identifizieren und unterscheiden zu können.
- Eine Grundlage zu schaffen, um Manuskripte zeitlich einzuordnen, die bei Hofe sowie an anderen Orten in Wien entstanden sind. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass Berufskopisten häufig die Papiersorten wechselten. Eine Tatsache, die bei der Datierung hilfreich ist und die wir ebenfalls nutzen. Wir setzen zudem die Daten zu den verwendeten Papiersorten mit Mustern in der Zusammenarbeit unter den Kopisten in Beziehung und verfeinern so die Analysen.
- Analyse der Musikmanuskripte auf Materialebene und welches Papier von den Kopisten verwendet wurde. Das soll das Verständnis der Manuskriptproduktion am Wiener Hof erweitern. Kooperationen unter Kopisten werden beleuchtet, ebenso wie die verwendeten Papiersorten und auch individuelle Unterschiede bei den Notenlinien und den Buchbindetechniken.
Innovation und Ergebnisse
Mit Hilfe rechnergestützter Analysen, optischer Verfahren zur Erkennung von Notenschriften (optical music recognition), Computer Vision und maschinellem Lernen untersuchen wir Werke von Musikkopisten. Dies erleichtert ihre zeitliche Einordnung und ermöglicht es, Manuskripte mit deutlich weniger Aufwand als bisher zu klassifizieren. Zudem lassen sich Variationen im Schreibstil identifizieren und Metriken entwickeln, die Hinweise darauf geben, wie erfahren oder geübt ein Kopist war. Insgesamt sollen so sowohl die Effizienz als auch die Genauigkeit der Analysen gesteigert werden.
Partner
Fördergeber
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- Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (lead)

